Montessori in einer Kultur der Digitalität

Im Anschluss an meinen Beitrag für die #EnvisionEd20 von Microsoft, wollte ich noch meine Folien und Gedanken zu dem Thema teilen.

Wieso passen die Montessori-Pädagogik und eine Kultur der Digitalität zusammen?

Meiner Meinung nach bildet die Montessori-Pädagogik die perfekt Grundlage für den Einsatz digitaler Medien in der Schule und ist die Antwort auf die Frage, wie sich Schule ganz allgemein in einer Kultur der Digitalität verändern muss, dass sie den aktuellen Herausforderungen gerecht wird. Denn wir wissen alle nicht, womit sich unsere SchülerInnen in Zukunft konfrontiert sehen, aber es ist unsere Aufgabe sie bestmöglich darauf vorzubereiten.

In der Montessori Pädagogik finden sich bereits erfolgreich erprobt die veränderten Rahmenbedingungen, die wir aktuell im postdigitalen Zeitalter benötigen. Diese sind:

  • Projektarbeit & Themenübergreifender Unterricht
  • Differenzierung & Individualisierung
  • Selbständiges Lernen
  • Feedback & Selbstreflexion

Alle diese Aspekte setzen das Kind in den Mittelpunkt.

Somit verändert sich auch die Rolle der Lehrkraft die laut Montessori zum Beobachter und Diener wird, denn das Kind steuert den eigenen Entwicklungs- und Bildungsprozess, in einer an seine Bedürfnisse angepassten Umgebung, die ihm den Weg zur Selbstständigkeit aufzeigt. Die neue Rolle der Lehrkraft führt jedoch nicht in das Nichtstun – eine häufige Fehlinterpretation des Begriffs „Passivität“ – sondern sie gibt weiterhin die Richtung vor, jedoch abgestimmt auf die individuellen Bedürfnisse der SchülerInnen, denn das Kind soll aktiv im Bildungsprozess eingebunden werden.

Alle Prinzipien Montessoris finden sich beispielsweise in dem 4K-Modell wieder, das wichtige Kompetenzen für Lernende im 21. Jahrhundert formuliert. (Quelle: https://www.joeran.de/die-4k-skills-was-meint-kreativitaet-kritisches-denken-kollaboration-kommunikation/)

  • Kreativität: neues denken und lernen können. Die SuS finden eigene, neue Lösungen für ihre Fragestellung.
  • Kommunikation: eigenes Denken und Lernen mitteilen: Die SuS teilen ihre Erfahrungen und Kenntnisse beispielsweise mit ihrer Lerngruppe, können diese entsprechend artikulieren und darstellen.
  • Kollaboration: Die SuS können gemeinsam denken und lernen, eine Forscherfrage kann mit einem Partner/einer Partnerin oder einer Gruppe bearbeitet werden. Sie verteilen Aufgaben und stimmen sich in ihrer Arbeit ab.
  • Kritisches Denken: Selbständig denken und lernen können. Die SuS übernehmen nicht einfach Meinungen und Antworten, sondern stellen dazu Fragen und hinterfragen diese.

Und was ist hier jetzt „digital“? Digitale Medien sind ein fester Bestandteil der vorbereiteten Umgebung für unsere SchülerInnen, da sich diese an der Lebenswelt unserer SchülerInnen orientiert. Wir haben uns nie die Frage gestellt, ob wir anfangen sollten, digitale Medien zu integrieren. Digitale Medien sind eine chance, Bestehendes zu erweitern, zu ergänzen und zu erneuern. Dinge erlebbar zu machen, die ohne diese nicht, oder nur sehr schwer möglich wären. Sie ermöglichen eine neue Erfahrung, intensivieren Eindrücke und gestalten das Lernen facettenreicher.

So stellt sich nicht die Frage analog oder digital, sondern wie kann ich meine Frage beantworten, wie möchte ich mein Ergebnis präsentieren, wie komme ich an mein gestecktes Ziel und was interessiert mich gerade?

#MonteOnTour – Die Alemannenschule in Wutöschingen

Wenn man sich auf den Weg der Schulentwicklung begibt, und eine Idee im Hinterkopf hat, dann sucht man nach Vorbildern und Inspiration. Nach Menschen, in diesem Fall Schulen, die schon die ersten Schritte, oder sogar einen Teil des Weges gegangen sind, und von ihren Erfahrungen berichten. Eine solche Schule ist für mich die Alemannenschule in Wutöschingen. Seit drei Jahren möchte ich diese nun besuchen, da mich nicht nur das Raumkonzept fasziniert hat, sondern auch das Mindset von Kollegium und Schulleitung, alle Beteiligte hatten und haben den Mut, eingefahrene Wege zu verlassen, bisheriges zu hinterfragen und Risiken einzugehen. Dieser Mut wird durch hohe SchülerInnenzahlen, überdurchschnittlich erfolgreiche Schulabschlüsse und mit dem Deutschen Schulpreis belohnt.

Im Februar 2020 sollte nun auch ein Besuch bei mir klappen. Im Gepäck hatte ich nicht nur Spannung, Neugier und hohe Erwartungen, sondern auch fünf weitere Kolleginnen bewaffnet mit Hausschuhen.

Auf Grund der hohen Nachfrage, bietet die Schule montags ein spezielles Besucherprogramm an. Was uns an diesem Montagmorgen sofort aufgefallen ist, jede/r Lernpartner/in, die uns begegnet, grüßt uns freundlich – Das wird über den gesamten Tag auch so bleiben. Selbst das Schwarze Brett kündigt uns an.

Mit den anderen Besuchern bekamen wir zunächst einen informativen Vortrag mit allgemeinen Informationen zu der Entwicklung der Alemannenschule – inklusive technischer Schwierigkeiten, die die Schule aber noch sympathischer macht. Im Anschluss begann die Schulführung, auf die ich mich am meisten gefreut hatte, denn lassen sich Konzepte und Schulcurricula gut lesend erfahren, muss man Räume doch mit allen Sinnen erfahren. (Vielleicht gibt es ja bald eine VR-Tour durch die Schule?)

Viele Bereiche der Schule wirken wie ein modernen Workingspace. Die Input-Räume verfügen beispielsweise über ovale Stehtische, die ganz klar den Fokus auf ein gemeinsames Lernen, ohne frontale Zentrierung setzen. Überall finden sich kleine Sitzgelegenheiten, Rückzugsorte und Treffpunkte, die Kooperation und Kollaboration zwischen den LernpartnerInnen ermöglichen. Vorhänge können zugezogen werden, sie sind förderlich für eine angenehme Akustik, unterteilen den großen Raum aber auch optisch.

Wenn man durch die Schule läuft, kann man die Evolution dieser förmlich mitverfolgen. Von den Anfängen der Lernateliers bis zur aktuellen Version, dem weißen Lernhaus, in dem ein Teil der LernpartnerInnen und LernbegleiterInnen ihre individuellen Arbeitsplätze haben.

Dort traf ich auch auf Valentin Helling, der dort Lernbegleiter ist und den ich bereits über Twitter kennenlernen durfte. Ich freue mich immer sehr, wenn ich solch offene und sympathische Menschen außerhalb von sozialen Netzwerken treffe.

Mit dem geplanten Erweiterungsbau für die Gymnasiale Oberstufe setzt sich die Evolution des Raumes bald fort und man kann gespannt sein, wie diese Räume dann live wirken werden. Die Pläne für den Neubau sind bereits vielversprechend.

In all diesen unterschiedlichen Räumen blieben uns die Ruhe, das angenehme Lernklima und die selbständig arbeitenden LernpartnerInnen in Erinnerung. In der Montessori-Pädagogik würde man jetzt von der Polarisation des Kindes sprechen, das konzentriert seiner Aufgabe nachgeht und diese zielstrebig verfolgt, ohne sich von einer Besuchergruppe ablenken zu lassen.

Den Besuch rundetet ein Treffen mit dem Schulleiter Stefan Ruppaner ab. Er erzählte von seinen Erfahrungen und wir hatten ausreichend Zeit, unsere Fragen zu stellen und sein Mindset zu erleben.

Wir haben uns dann mit unserem aktuellen Jahresbericht verabschiedet und eine Einladung für einen Gegenbesuch bei uns in Herzogenaurach ausgesprochen, denn wie wir erfahren haben, gibt es noch Entwicklungspotenzial in der Primarstufe 😉 Wir würden uns freuen!

Leider durften wir während des Besuches keine Bilder machen, aber sowohl auf der Homepage, als auch in diesem Apple Book, finden sich tolle Bilder, die Lust auf einen Besuch machen. Es lohnt sich, da wir jetzt mit vielen Ideen wieder zuhause angekommen sind und uns in den nächsten Wochen treffen werden, um zu besprechen, was wir davon angehen möchten/können/wollen.

Die Handygarage – Das Anti-Symbol zeitgemäßer Bildung?

Bei Twitter bin ich auf eine Diskussion zum Thema „Handygarage“ gestoßen und der Grundtenor war, dass diese in einer zeitgemäßen Bildung nichts zu suchen hätte. Ich sehe das anders, kann aber auch die ablehnende Haltung nachvollziehen, da das „Alcatraz für Handys“ meist für die komplette Verbannung des Smartphones aus dem Unterricht steht. Der Einsatz von Handygaragen kann aus meiner Sicht jedoch didaktisch sinnvoll im Unterricht integriert werden.

Hier ein Beispiel aus meinem Schulalltag:

In der Montessori-Pädagogik nimmt die vorbereitete Umgebung eine wichtige Stelle ein. Der Raum ist den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen angepasst und die Basis für die Freiarbeit, die das selbstständige Lernen anregt. Bei der Ausstattung der Klassenräume gibt es ganz klar Unterschiede zwischen den Klassenstufen, die in diesen arbeiten und lernen.
Ab der 7. Jahrgangsstufe setzen wir seit vergangenem Schuljahr ein BYOD-Konzept mit Smartphones um (aktuell erweitern wir mit Tablets). In den Räumen der Jahrgangsstufen 7/8 und 9/10 finden sich Handygaragen. Diese hängen direkt über dem Regal mit den Klassenlaptops.
Möchte ein Schüler eine Arbeit mit Laptop oder Smartphone durchführen, so bespricht er sein Vorhaben mit einer Lehrkraft und bekommt entsprechend die Nutzungserlaubnis oder einen Hinweis, dass sein Vorhaben mit einem anderen Material besser zu realisieren ist.
Neben digitalen Geräten, stehen den Schülern im Klassenraum Fachbücher, Montessori-Materialien, erstellte Skripte, Zeitschriften uvm. zur Verfügung. Ähnlich wie Bücher, die nach Benutzung wieder an die vorherige Stelle im Regal wandern, kommen Smartphone und Laptop auch an ihren Platz zurück.
Aber auch bei uns wird die Handygarage manchmal zum Handygefängnis, denn es gibt immer wieder Schülerinnen und Schüler, die sich nicht an die Regeln zur Benutzung von Smartphones halten. Dann bleibt dieses auch mal für einen Tag in der Garage und die Pädagogen haben einen leichteren Überblick über die Einhaltung der Vereinbarungen.
Somit ist bei uns die Handygarage nur zu bestimmten Zeiten voll besetzt, denn die Smartphones unserer Schüler sollen während der Schulzeit zum Einsatz kommen.

Fremdsprachen lehren und lernen in der Montessori Pädagogik – oder wie ich an meine Montessori-Schule kam.

In letzter Zeit kam bei mir immer mehr das Bedürfnis auf, unser Fremdsprachenkonzept in einem Blogpost festzuhalten. Ich versuche das Thema jetzt regelmäßig fortzusetzen. Den Anfang macht meine Zulassungsarbeit, getriggert durch einen Tweet von Patrick Brauweiler, der Austausch zum Thema „Lernbüro und Speaking“ gesucht hat.

Eines meiner Prüfungsthemen im erziehungswissenschaftlichen Staatsexamen war die Montessori-Pädagogik. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich für das Thema entschieden, da in meiner Umgebung gerade eine Montessori-Schule eröffnet wurde, die bis zum Abitur führen sollte. Da ich bis zu dem Zeitpunkt nur Montessori-Grundschulen kannte und nicht mehr als „Hilf‘ mir, es selbst zu tun“ in meinem Wissen dazu vorhanden war, wollte ich mich in der Prüfung näher damit beschäftigen. Da mein Erfahrungsschatz rein vom bayerischen Gymnasium geprägt war, konnte ich mir zu dem damaligen Zeitpunkt nicht vorstellen, wie denn ohne Druck die Schülerinnen und Schüler an einer solchen Schule lernen, um das Abitur erfolgreich abzulegen.
Die Examensprüfung lief super, und das Thema verschwand erstmal wieder von der Bildfläche.
Nach meinem Auslandssemester stand die Zulassungsarbeit an und ich musste mich auf Themenfindung begeben. Irgendwann hatte ich mich für Englischdidaktik entschieden und da mein Betreuer im Bereich des Ausspracheerwerbs forscht, sollte es auch darum in meiner Arbeit gehen. Das Thema Montessori kam irgendwie dazu und so wollte ich untersuchen, wie in einem nicht lehrerzentrierten Setting die Aussprache der Schülerinnen und Schüler geschult wird, und wie ihre Fähigkeiten in diesem Bereich sind.


Woher ich mein Durchhaltevermögen habe…
„Wie, sie wollen an unseren Schülerinnen und Schülern forschen? Im Unterricht hospitieren und darüber eine Arbeit verfassen?“ – es war nicht einfach eine Schule zu finden, die mich bei meinem Vorhaben unterstützen wollte. Ich war schon kurz davor, mein Thema an den Nagel zu hängen, als über mehrere Ecken der Kontakt zu meiner jetzigen Schule hergestellt wurde. Manchmal braucht man eben Glück, so durfte ich dort meine Zulassungsarbeit schreiben, wenn ich in der im Aufbau befindenden Sekundarstufe Englisch unterrichte. So begann ich meine Zeit als Englischlehrerin – und wenn sie nicht gestorben ist, so unterrichtet sie noch heute 😉


Unser Fremdsprachenkonzept
(Vorne weg: Wir arbeiten ohne festes Schulbuch und vergeben keine Noten.)
Im Zuge meiner Untersuchungsergebnisse fing ich an, das Fremdsprachenkonzept der Schule zu entwickeln. Durch meine Zulassungsarbeit hatte ich mich intensiv mit dem Thema Fremdsprachenerwerb in der Montessori-Pädagogik beschäftigt und auch Kontakte zu Dozentinnen hergestellt, die Fortbildungen dazu anbieten und somit Zugriff auf deren Know-how und Erfahrungsschatz bekommen.
Die Themen „Aussprache“ und „Sprechen“ treiben mich immer noch herum, und ich versuche meinen Unterricht und die vorbereitete Umgebung dahingehend stetig weiterzuentwickeln.
Um den Sprachinput bei den Schülerinnen und Schülern zu erhöhen, haben wir das Leseprogramm Kids A-Z angeschafft. Die SuS bekommen einen eigenen Zugang und können auf ihr Sprachniveau angepasst englischsprachige Bücher von Muttersprachlern vorgelesen bekommen und mitlesen. Erweitert mit der Birkenbihl-Methode, können die Schülerinnen und Schüler sehr vielseitig mit dem Material arbeiten und ihre Sprachkenntnisse verbessern. Dadurch, dass das Anhören von muttersprachlichem Input einen festen Stellenwert in der Arbeit bekam, konnte man auch eine kontinuierliche Verbesserung der Aussprache bei den SuS beobachten, die das Angebot regelmäßig nutzten.
Damit die SuS nicht nur Feedback von ihren Kameradinnen und Kameraden bekommen, haben wir immer wieder kurze Phasen – meist zum Stundenbeginn, in der wir gemeinsam in der Fremdsprache sprechen. Dies kann auch in abgewandelter Form während der Freiarbeit stattfinden, neben Partnerarbeiten bekommen z.B. einige SuS eine Einladung, sich mit mir an angegebenem Ort zu einer festgelegten Zeit mit oder ohne Material zu treffen. Diese Gruppen stelle ich nach unterschiedlichen Aspekten und Schwerpunkten zusammen, und so können gewisse Themen intensiv bearbeitet und besprochen werden. Das eignet sich nicht nur für das Sprechen, sondern auch für die Einführung neuer Grammatik etc. Dies ist aber auch nur möglich, wenn die restliche Lerngruppe in dieser Zeit durch eine/n weitere/n Pädagogin/en betreut wird.
Von Anfang an halten SuS an Montessori-Schulen kurze Vorträge über unterschiedliche Themen, so auch in der Fremdsprache. Je nach Schüler/in werden diese Vorträge vor der gesamten Gruppe, oder nur vor einem ausgewählten Publikum gehalten. Es ist immer schön zu beobachten, wie sich die SuS entwickeln und mit dieser Wahlfreiheit an Sicherheit gewinnen und dann trotz Unsicher- und Schüchternheit ihr Thema vor immer größeren Gruppen präsentieren wollen.
Beeindruckt hat mich in diesem Schuljahr die GreenScreen-Nachrichtenshow einer Schülergruppe, die aus einer spannenden Kurzgeschichte eine Reportage inkl. Interview des Protagonisten entwickelt und verfilmt hat. Solche Elemente versuche ich in Zukunft öfter einzubauen, wenn wir bald über eine bessere Ausstattung verfügen und ich nicht immer mein privates iPad in die Hand der SuS geben muss.
Viel Freude hat den SuS auch das Schauspielern bereitet, sei es das Nachspielen von kurzen Dialogen/Szenen oder eines ganzen, adaptierten Stückes, wie beispielsweise „The Tempest“ von Shakespeare in einer modernen Version. Literaturarbeit in 7/8 war noch nie so mitreißend!
Vor allem meine schwächeren SuS arbeiten sehr gerne mit Duolingo und nutzen die App regelmäßig. Damit dies in der Schulzeit möglich ist, suchen sich die SuS eine Ecke im Schulhaus, wo sie ungestört arbeiten können und niemanden beim Nachsprechen stören.
Gerade die digitalen Medien sind für den Erwerb und das Üben dieser Teilkompetenzen ein großer Gewinn, da die SuS selbständig und eigenverantwortlich arbeiten können. Es wird ihnen ermöglicht einen qualitativ hochwertigen sprachlichen Input auf ihr Sprachniveau angepasst zu bekommen und sich vielfältig mit der Sprache auseinanderzusetzen. Ich als Lehrkraft kann z.B. mit Hilfe von Videos, die die SuS ohne mich erstellt haben, das Lernprodukt beurteilen und individuell Feedback geben.